Warten auf Godot!

Warten auf Godot!

Prof. Dr. Ansgar Staudinger, Präsident Deutscher Autorechtstag

7. Februar 2023

Liebe Leserinnen und Leser,

nicht verbürgt ist, dass beim Europäischen Gerichtshof Richter mit dem Namen Godot oder Beckett arbeiten. Klar ist jedenfalls, dass seit dem 2. Juni 2022 Automobilhersteller nicht nur im Süden von Deutschland, sondern binnenmarktweit auf den Ausgang des Vorlageverfahrens in der Rechtssache C-100/21 warten. Angestoßen hatte das Vorabentscheidungsersuchen bekanntermaßen das Landgericht Ravensburg am 17. Februar 2021. Die seit dem 2. Juni 2022 vom Generalanwalt Rantos vorgelegten Schlussanträge lauten im Ergebnis dahin, dem Erwerber eines Fahrzeuges mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung müsse im jeweiligen nationalen Zivilrecht ein Ersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller zustehen. Diese Forderung der Generalanwaltschaft ist nicht ohne Widerspruch geblieben. So hat sich insbesondere das Oberlandesgericht München in seinem Beschluss vom 1. Juli 2022 (Az. 8 U 16761/22) dezidiert gegen die Schlussanträge des Generalanwaltes gestellt. Nach Ansicht des OLG München unterliegt ein Fahrzeughersteller wegen etwaiger Aufwendungen des Fahrzeughändlers im Rahmen der Gewährleistung nach § 445a BGB doch dem Rückgriff des Händlers, so dass jener wirtschaftlich die Folgen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen vollständig zu tragen habe. Dementsprechend sei es – so OLG München – nicht überzeugend anzunehmen, dass der Fahrzeughersteller nach derzeitigem Rechtstand in Deutschland keine Inanspruchnahme zu befürchten habe.

Mit Bedacht möchte der Verfasser hierzu Folgendes anmerken: Zunächst ist intertemporal die einschlägige Fassung des § 445a BGB heranzuziehen. Ausgespart bleiben jedenfalls gebrauchte Fahrzeuge. Überdies ist nach § 445a Abs. 4 BGB die Rügeobliegenheit in § 377 HGB zu beachten. Vor allem aber erweist sich § 445a BGB im Rahmen der allgemeinen Grenzen als eine dispositive Vorschrift. Im Ausgangspunkt kann der Regress gegen den Hersteller demnach individual- und wohl auch formularvertraglich modifiziert, gar ausgeschlossen werden. Abweichendes gilt nunmehr, wenn das letzte Glied in der Lieferkette ein Verbrauchsgüterkaufvertrag ist. Dies folgt aus § 478 Abs. 2 BGB (bzw. § 479 Abs. 2 BGB aF). In Anbetracht dieses Rahmens erscheint es doch nicht ausgemacht, bei gebrauchten Pkws, ganz generell bei sogar neuen Firmenfahrzeugen und Unternehmern als Letzterwerbern, vor allem wegen § 377 BGB und der zumindest eingeschränkten Abdingbarkeit von einer vollumfänglichen und deshalb effektiven sowie abschreckenden Drohkulisse des Herstellers zu sprechen.

Nachdem nun der Dezember 2022 und auch Januar 2023 verstrichen sind, erwarten alle im Binnenmarkt den Richterspruch aus Luxemburg im Februar. Der Bundesgerichtshof hat jedenfalls in der Rechtssache VIa ZR 335/21 den Verhandlungstermin auf den 27. Februar 2023 verlegt. Denn auch hier geht es um die Tatbestandswirkung der Typgenehmigung sowie unionsrechtliche Folge- bzw. Haftungsfragen. Wann auch immer der EuGH nun entscheiden wird, jedenfalls dürfte das Urteil am 20. März 2023 wohl vorliegen Und dies ist der Beginn des 16. Deutschen Autorechtstages. Insofern hat jedenfalls, liebe Leserinnen und Leser, das Warten ein Ende. Denn endlich findet wieder der Gedankenaustausch zu aktuellen Fragen rund ums Auto im Grandhotel Petersberg statt. Hier werden erneut mit offenem Visier und nunmehr erlaubtermaßen ohne Maske aktuelle Streitfragen diskutiert und Lösungen zugeführt, die auch für Sie in der Praxis verwertbar sind. Zweifellos wird der Deutsche Autorechtstag der erste Kongress sein, der sich mit dem Ausgang in der Rechtssache C-100/21 befasst.

Seien Sie dabei und buchen Sie noch heute.

Auf ein Wiedersehen freut sich,

Ihr

Präsident Ansgar Staudinger