AUTORECHTSTAG AKTUELL

Aktuelles von der Rechtsprechungs- und Gesetzgebungsfront

Prof. Dr. Ansgar Staudinger, Universität Bielefeld

2. März 2021

In der Filmwelt verliert der Joker gegen Batman. War der nicht mit einem Leasing-Fahrzeug von Mercedes Benz unterwegs? Jedenfalls kann sich diese Leasinggesellschaft seit dem 24.2.2021 als Gewinner fühlen. Der „Widerrufs-Joker“ bringt dem Verbraucher bei Kilometer-Leasingverträgen nach Ansicht des VIII. Zivilsenates (ZR 36/20) keinen Erfolg. § 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 BGB (in der bei Vertragsschluss und bis heute noch geltenden Fassung) ist weder unmittelbar noch analog einschlägig. Ebenso wenig liegt ein Umgehungsgeschäft nach § 511 S. 2 BGB (heute § 512 BGB) vor. Und schließlich ergab sich auch aus einer „Widerrufsinformation“ nicht die Rechtslage, dass der Leasinggeber dem Kunden vertraglich ein Widerrufsrecht eingeräumt habe.

Soweit so gut. Doch andere Fragen zum Kilometer-Leasing sind noch offen. Wenn nämlich seit dem 24.2.2021 durch den BGH klargestellt ist, dass sich weder in direkter noch in entsprechender Anwendung von § 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 BGB ein vorrangiges Widerrufsrecht ergibt, so ist möglicherweise der Rückgriff auf das Lösungsrecht beim Fernabsatzvertrag eröffnet. Dies hängt von der Bewertung als Finanzdienstleistung ab. Das OLG München hat jedenfalls mit Urteil vom 18.6.2020 (32 U 7119/19) dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gegenüber dem Leasinggeber eröffnet. Der BGH wird womöglich demnächst im Lichte seiner Entscheidung vom 24.2.2021 als nächstes prüfen müssen, ob für das Kilometer-Leasing zumindest ein situatives Widerrufsrecht beim Einsatz von Fernkommunikationsmitteln eingreift. Allerdings sollten sich hier Leasing-Nehmer als Verbraucher (Geschäftsleasing mit Unternehmern ist ohnehin nicht erfasst) nicht allzu schnell auf die Rückzahlung sämtlicher Leasing-Raten und das Eingreifen der Sondervorschrift von § 357a Abs. 2 S. 1 BGB mit der Folge freuen, auch keinen Wertersatz sowie keine Nutzungsentschädigung berappen zu müssen. Das letzte Wort wird diesbezüglich wohl der EuGH haben.

Endgültig abzurechnen ist also verfrüht, vor allen Dingen lohnt bei Rechenschwäche kein Einsatz eines Taschenrechners, jedenfalls nicht am Steuer. Dies hat der 4. Strafsenat mit seinem Beschluss vom 16.12.2020 in Karlsruhe klargestellt. So unterfällt nach seiner Wertung ein Taschenrechner auch der Regelung in § 23 Abs. 1a StVO.

Keine Rechen-, sondern Leseschwäche mögen manche dem OLG Köln unterstellen. In seinem Beschluss vom 4.12.2020 (1 RBs 347/20) wird ebenfalls auf der Grundlage von § 23 Abs. 1a S. 1 Ziffer 1 StVO der Begriff „Halten“ dahin gedeutet, er erfasse sogar die Situation, wenn ein elektronisches Gerät zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt wird. Hierbei ging es natürlich nicht um einen Taschenrechner, sondern ein Mobiltelefon. Man ist froh, nicht mehr in den 80er Jahren zu leben, hier hätte sicherlich die typische Mode der Schulterpolster ein solches Verhalten im Straßenverkehr noch begünstigt.

Rechnen und Telefonieren wird sich am Steuer wohl erst dann erlaubterweise durchführen lassen, wenn die Reform zum autonomen Fahren aus der Feder des Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer alle parlamentarischen Hürden bis zum Ende der Legislaturperiode nimmt. Ansonsten droht hier der Grundsatz der Diskontinuität. Kritikpunkte ergeben sich wohl wieder einmal mit Blick auf das Europarecht, insbesondere in Bezug auf die Datenschutzgrundverordnung. Doch Konflikte mit dem Europarecht ist man bei diesem Minister mit bayerischen Wurzeln gewöhnt, man denke nur an die Thematik der Maut.

Apropos Bayern und Maut: Hier wird sich demnächst wohl zeigen, ob und inwieweit tatsächlich die Auffassung des LG München den BGH überzeugt. Das LG München hatte jedenfalls am 4.2.2021 in einem Urteil (31 S 10317/20) festgestellt, erhöhte Zusatzgebühren bei ungarischen Mautforderungen verstießen gegen Art. 40 Abs. 3 EGBGB. Losgelöst davon, dass hier wohl der falsche Aufhänger für den ordre public-Vorbehalt gewählt wurde, erscheint es doch überaus zweifelhaft, das Bollwerk der deutschen öffentlichen Ordnung in Stellung zu bringen. Ob und inwieweit es sich tatsächlich um einen Strafschadensersatz handelt und es im Ergebnis überzeugt, dann die Forderung auf Null zu reduzieren, wird demnächst die Revisionsinstanz in Karlsruhe klären müssen.

Auch Corona führt zu einer Reihe von neuen Streitfragen: Stichwort Desinfektionskosten. Während das LG Stuttgart etwa (Urteil vom 27.11.2020 – 19 O 145/20) mit Blick auf Haftpflichtschäden den Ersatz von Desinfektionskosten ablehnt, wird überwiegend, wie etwa vom AG Böblingen (Urteil vom 17.2.2021 – 1 C 1773/20), der Ersatz zugesprochen, etwa auch vom AG Köln im Wege der fiktiven Abrechnung (Urteil vom 14.1.2021 – 261 C 157/20). Letztlich müssen hier Oberlandesgerichte und der BGH entscheiden, ob die Ablehnung des Ersatzes die Kriterien der Adäquanz im Rahmen der Kausalität, der Erforderlichkeit bei § 249 Abs. 2 S. 1 BGB und des Werkstattrisikos nicht doch arg überstrapaziert.

Fragen über Fragen auch beim Dieselskandal: Ob gleichermaßen Audi durchatmen wird, steht noch in den Sternen, oder besser in den Ringen. Während das OLG Frankfurt am Main am 24.2.2021 (4 U 257/19, 4 U 274/19) eine Übertragung der Grundsätze der BGH-Judikatur für überzeugend erachtet, scheint der erkennende VI. Zivilsenat hier doch noch ein Fragezeichen zu setzen, wie eine Verhandlung bei einem Musterfall am 22.1.2021 zeigte.

Kommen wir für heute zurück zu Batman und seinem Mobil. Sollte er einmal in einen Unfall verwickelt werden und einen Mietwagen suchen, hat er es sicherlich schwer, etwas Passendes als Ersatz zu finden, sei es nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel oder der Schwacke-Liste. Auch wenn sich ein Geschädigter im Haftpflichtschadenfall an sich ein typengleiches Luxusfahrzeug als Ersatz anmieten darf, gilt das nicht schrankenlos: Zumindest im Sprengel vom OLG Celle (Urteil vom 25.11.2020 – 14 U 93/20) wäre es dann wohl auch Batman zuzumuten, für einige Tage auf eine Luxusausstattung, das Prestige sowie die besondere Fahrfreude eines Sportwagens zu verzichten.

Liebe Leserinnen und Leser, auch wenn es noch einige Tage hin ist, freuen Sie sich bestimmt schon auf den kommenden Autorechtstag. Melden Sie sich noch heute an. Sämtliche zuvor vorgenannten Themen, aber auch viele weitere aktuelle Streitfragen werden dort von dem Kreis der Referentinnen und Referenten auf dem Petersberg aufgegriffen. Für Ihre Praxis das Ass im Ärmel.

Auf ein Wiedersehen freut sich
Ihr
A. Staudinger

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