Autorechtstag Aktuell: Reparatur von Unfallfahrzeugen Teil I: Auswirkungen der Reparaturverzögerungen auf die Praxis
Dr. Thomas Almeroth, Rechtsanwalt, Lehrte
Reparaturverzögerungen, die mannigfache Auswirkungen auf die Praxis von Reparaturwerkstätten, Sachverständigen, Versicherern, Rechtsanwälten und deren Mandanten, meistens Werkstattkunden bzw. Unfallgeschädigte, haben, sind inzwischen Gang und Gäbe. War früher die hohe Auslastung von Werkstätten der Hauptgrund für etwaige Verzögerungen, so sind es inzwischen vor allem die Lieferkettenstörungen. Begonnen haben diese mit der „Corona-Pandemie“ im Jahr 2021, hinzugekommen sind in den Folgejahren die sog. Chip- oder Halbleiterkrise sowie zeitweise der Krieg in der Ukraine (Näher dazu Almeroth, Lieferkettenstörungen – Auswirkungen auf Autokauf und Unfallschäden, DAR 2023, 533). Dachte man zunächst an eine vorübergehende Erscheinung, so muss inzwischen, fast fünf Jahre nach Einsetzen des Problems, konstatiert werden, dass die Teilebelieferung das frühere Niveau immer noch nicht wieder erreicht hat.
So liegen beispielsweise dem ADAC nach wie vor zahlreiche Hinweise seiner Mitglieder vor, die sich über ungebührlich lange Reparaturdauern beschweren. Und das nicht nur bei Reparatur von „Exoten“ oder sehr alten Fahrzeugen, sondern bei ganz normalen „Brot und Butter-Autos“ im durchschnittlichen Alter. Betroffen sind beispielsweise Kombiinstrumente bei Audi, Motorhaubenverriegelungen bei Opel bzw. Chevrolet Spark, Kühlwasserschläuche und Gaseinfüllstutzen bei Opel, Zündschlösser bei Renault oder sogar für die Abarbeitung von Rückrufen benötigte Querlenkerbolzen bei Citroen. Alles Teile, ohne die nicht nur Komfortbeeinträchtigungen zu beklagen sind, sondern die Gebrauchsfähigkeit und Verkehrssicherheit des gesamten Fahrzeugs beeinträchtigt ist.
Die Werkstätten verweisen – was sollen sie auch anderes tun? – auf die Hersteller und deren mangelnde Lieferfähigkeit. Die Hersteller – bzw. deren Verbände VDA und VDIK – beziehen sich auf die sog. „Selbstverpflichtung“ der Automobilproduzenten (ET-Lieferbarkeit bis etwa zehn Jahre nach Produktionsende) und betonen, dass es sich bei der Nicht-Verfügbarkeit von Ersatzteilen für neuere Fahrzeuge nur um Einzelfälle und um eine „vorübergehende Situation“ handele. Das mag rein statistisch sogar so sein, nützt aber dem betroffenen Fahrzeugeigentümer nichts. Der ADAC fordert deshalb einen gesetzlich geregelten Anspruch auf die Verfügbarkeit von Auto-Ersatzteilen und die Reparierbarkeit von Kraftfahrzeugen für 12 bis 15 Jahre in Anlehnung an die EU-Vorgaben für Ersatzteile von Haushaltsgeräten. Andererseits ist sicherlich in Rechnung zu stellen, dass ein lückenloser Vorhalt von Ersatzteilen jeglicher Art und für jedes Fahrzeug durch die Hersteller einen enormen Kostenblock zur Folge hat, Kosten, die letztlich die Gemeinschaft der Autofahrer zu tragen hat, ganz unabhängig von der Relevanz im Einzelfall. Eine für alle Beteiligten sinnvolle Lösung sollte sich finden lassen.
Wichtig bei der Suche nach dem Königsweg ist sicherlich die Frage, welche Auswirkungen die mangelnde Ersatzteilverfügbarkeit ganz konkret in der Praxis haben kann. Welche Folgen hat es, wenn deshalb Gewährleistungs- oder Garantiearbeiten verzögert werden oder gar die zeitnahe Abarbeitung eines – sicherheitsrelevanten – Rückrufs nicht möglich ist? Wie ist es beim Unfallschaden? Und wer trägt die zusätzlichen Mietwagen- und Nutzungsausfallkosten, wenn ein verunfalltes Fahrzeug nicht zeitnah repariert werden kann? Kann es eine Lösung darstellen, wenn vermehrt die Reparatur mit Gebrauchtteilen in die Betrachtung einbezogen wird? Eine solche Gebrauchtteilreparatur wird neuerdings offenbar auch von Versicherern wieder propagiert und wohl – dem Vernehmen nach – auch von einigen Autohersteller in Interesse der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes vorangetrieben. Genügt das alles aber, um auch den Interessen des Automobilisten in seiner Rolle als Kunde der Automobilwirtschaft und als Geschädigter eines Verkehrsunfalles gerecht zu werden bzw. welche Rahmenbedingungen sind dafür nötig?
„Das alles und noch viel mehr“, um einen bekannten Liedtext von Rio Reiser zu zitieren, wird in dem Referat von Rechtsanwalt Dr. Thomas Almeroth auf dem Deutschen Autorechtstag 2026 beleuchtet.
