Herausforderungen bei der Vertragsgestaltung nach der Novelle zum Gewährleistungsrecht
Stefan Obert, Bundesverband freier Kfz-Händler e. V.
27. Dezember 2022
Bereits bei den vergangenen Veranstaltungen befasste sich der Deutsche Autorechtstag intensiv mit dem seit dem 1. Januar 2022 in wesentlichen Teilen veränderten Gewährleistungsrecht. Hierbei wurde prophezeit, dass die Auswirkungen insbesondere Gebrauchtwagenhändler bei einem Verkauf an einen privaten Endkunden zu spüren bekämen. Ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen Regelungen kann man zumindest nicht uneingeschränkt behaupten, dass sich diese Vorhersage bewahrheitet hat. Eine erhöhte Quote an Reklamationsfällen kann die BVfK-Rechtsabteilung jedenfalls nicht verzeichnen.
Doch deswegen die Gesetzesverschärfung als Sturm im Wasserglas abzutun, dürfte sehr wagemutig sein. Vielmehr dürfte es plausible Erklärungen dafür geben, dass die Auswirkungen offenbar noch überschaubar sind. Zum einen bildet sich der Fahrzeugmangel auch in der Zahl der Reklamationen ab. Werden weniger Fahrzeuge verkauft, gibt es weniger Beanstandungen. Zum anderen dürfte gelten, was auf dem Deutschen Autorechtstag im März 2022 konstatiert wurde:
Das neue Gewährleistungsrecht: Unbekannt, unerforscht, unterschätzt, verkannt, fehlinterpretiert und ignoriert!
Tatsächlich scheinen die neuen Vorschriften in ihrer ganzen Tragweite weder bei den Händlern noch bei den Kunden und deren Anwälten angekommen zu sein. Insbesondere die erhöhten Formanforderungen für eine wirksame Verkürzung der Verjährungsfrist und die Vereinbarung einer negativen Beschaffenheit des Fahrzeugs (wie z. B. eines Unfallvorschadens bei einem jungen Gebrauchtfahrzeug) werden von vielen Händlern noch nicht beachtet. Aus Händlersicht glücklicherweise erkennen gleichzeitig die Kunden und Anwälte die Möglichkeiten, die sich hieraus ergeben, bislang nur selten.
Ungeachtet dessen darf jedoch konstatiert werden, dass die Erfüllung dieser Formanforderungen für die Ersteller von Vertragsformularen äußerst herausfordernd ist. Besonders bedeutend und anschaulich wird dies bei den Voraussetzungen, die nunmehr an eine wirksame Vereinbarung der Verjährungsverkürzung bzw. einer negativen Beschaffenheit gestellt werden. Das Gesetz sieht hierfür vor, dass
1. der Käufer vor Abgabe seiner verbindlichen Bestellung von der Verkürzung der Verjährungsfrist/negativen Beschaffenheit in Kenntnis gesetzt worden ist, und
2. die Verkürzung der Verjährungsfrist/negative Beschaffenheit im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart worden ist.
Die bislang in den gängigen Vertragswerken übliche Praxis, die Verjährungsverkürzung in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kaufvertrags zu integrieren, dürfte diesen Anforderungen z. B. nicht mehr gerecht werden.
Unbekanntes Terrain ist daneben der Umgang mit dem Erfordernis des vorvertraglichen In-Kenntnis-Setzens. Zwar kann der Verkäufer dem Käufer die verlangten Informationen in der Vertragsanbahnung mündlich erteilen. Doch allein zu Beweiszwecken wird allseits empfohlen, schriftlich zu dokumentieren, dass bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Käufer über die notwendigen Aspekte des bevorstehenden Fahrzeugkaufs gesprochen wurde. Hierfür verlangt der Handel nach vorgefertigten Formularen.
Der Vortrag befasst sich mit diesen und weiteren Fragestellungen sowie möglichen Vertragslösungen für den Kfz-Handel in der Praxis.