Pressebericht zum 13. Deutschen Autorechtstag

vom 28. – 29. September auf dem Petersberg

Bonn, 1. Oktober 2020

Die automobile Welt verändert sich rapide. Das wurde bei vielen Vorträgen des DEUTSCHEN AUTORECHTSTAGS 2020 deutlich. Ist der Kauf eines vollständig funktionierenden Autos in der bisherigen Form noch möglich oder zerfällt das Fahrzeug zukünftig eher in Hard- und Software? Wem gehören die Daten? Gehen die Hersteller neue Vertriebswege und wird der Autohandel dadurch überflüssig – so wie es Tesla vormacht? Vor welche rechtlichen Herausforderungen stellt uns die Elektromobilität und ist sie nur eine politisch gewollte Zwischenlösung?

Rechtliche Herausforderungen beim Automobilverkauf heute und in Zukunft – aktuell in Zusammenhang mit der Dieselkrise, sich veränderndem Gewährleistungsrecht, verschärften Umweltbestimmungen, politischer Umsteuerung der Mobilität, wie auch mit Alltagsproblemen im Verkehrs-, Schadens- und Kaufrecht – all das waren die Kernthemen auf dem geschichtsträchtigen Petersberg.

Das zahlreich erschienene Fachpublikum erlebte dank gewohnt brillanter Vortragender und spannender Fragen rund um das Thema „Automobilrecht“ auch im 14. Jahr des Bestehens des DEUTSCHEN AUTORECHTSTAGS ein juristisches Branchenhighlight.

Haftungs- vs. Verjährungsfrist – Problem gelöst?

Wie gewohnt lieferte der Leiter des DEUTSCHEN AUTORECHTSTAGS, Prof. Dr. Ansgar Staudinger, eine Übersicht über spektakuläre Gerichtsentscheidungen und Gesetzgebungsvorhaben. Die herbeigesehnte nationale Umsetzung der EuGH-Entscheidung zur Verkürzung von Haftungs- und Verjährungsfrist („Ferenschild“) stehe unverständlicherweise noch aus. Staudinger bezog aber nicht nur zur angedachten Gesetzesreform kritisch Stellung, sondern hob auch weitere in diesem Jahr herausstechende Entwicklungen hervor. Unter anderem setzte er sich mit der Entscheidung des OLG München zum Widerrufsjoker auseinander und stellte heraus, weshalb ihn die „Probefahrt“-Entscheidung des BGH kaum überraschte. So wies Staudinger darauf hin, dass es wenig überzeugend erscheine, den Probefahrer als bloßen Besitzdiener des Autohauses einzustufen. Er sei vielmehr als Besitzmittler anzusehen, dem das Autohaus freiwillig den Besitz an dem Fahrzeug überlassen habe. Der Referent ging ferner auf aktuelle Vorlagefragen zum Abgasskandal im Rahmen eines fesselnden Überblicks über die wichtigsten Entscheidungen des Jahres ein.

Neue Vertriebs- und Servicepraktiken auf dem Prüfstand

Schwerpunkt des Praxisseminars waren in diesem Jahr die sich im Zuge fortschreitender Digitalisierung wandelnden Vertriebs- und Servicepraktiken, deren rechtliche Auswirkungen intensiv beleuchtet wurden.

Prof. Dr. Paul Schrader wusste die rechtlichen Probleme in Zusammenhang mit digitalen Elementen beim Kauf und Betrieb von neuen und gebrauchten Autos eindrucksvoll zu veranschaulichen. Kritisch stellte Schrader in Aussicht, dass der Gebrauchtwagenhandel zukünftig auch für Mängel der vom Hersteller bereitgestellten digitalen Inhalte wie z.B. Softwareupdates haften könne. Mit Spannung bleibt die nationale Umsetzung der Vorschriften zur Sachmängelhaftung abzuwarten, auf die der Referent einen fundierten Ausblick gewährte und dabei Vertriebspraxis und Rechtsfragen eindrucksvoll miteinander verknüpfte.

Im Anschluss daran setzte sich BVfK-Jurist Matthias Giebler ausführlich und kritisch mit den unterschiedlichen Kfz-Vertriebssystemen auseinander, insbesondere mit dem derzeit vorherrschenden selektiven Vertriebssystem. Eine seit 2017 zu beobachtende herstellerseitige Garantiebeschränkung für Fahrzeuge, die an außerhalb des Vertriebsnetzwerks stehende freie Händler veräußert wurden, bot Anlass, die Voraussetzungen der Gruppenfreistellungsverordnung detailliert auf den Prüfstand zu stellen. „Selektive Vertriebssysteme sind zwar schützenswert, sie sind jedoch zunächst einmal Teil einer Ausnahmeregelung vom vorgelagerten Kartellverbot und damit an Voraussetzungen gebunden, die nicht erfüllt sind, wenn planmäßig ein Parallelmarkt mit Neuwagen ohne Herstellergarantie betrieben wird.“, so Giebler.

Schließlich widmete sich Professor Dr. Tim Vogels dem Bereich des Direktvertriebs, der für viele Kfz-Hersteller zunehmend attraktiver zu werden scheint, und zeigte unter Berücksichtigung einschlägiger Rechtsprechung die damit verbundenen Möglichkeiten und Grenzen auf. Ob es zukünftig ein harmonisches Nebeneinander von selektivem und Direktvertrieb geben wird, wird sich zeigen müssen. Vogels gab jedoch eindringlich zu bedenken, dass „der Direktvertrieb eines Herstellers innerhalb eines selektiven Vertriebssystems ohne angemessenen finanziellen Ausgleich für die Vertragshändler rechtswidrig“ sei. Er beschrieb wie auch andere Referenten, die sich mit der technischen Entwicklung befassten, dass Hard- und Software auch beim zunehmend digitalen Automobil „auseinanderfallen“, und forderte eine Beteiligung des Handels auch an den After-Sale-Software Einnahmen.

In einer späteren Podiumsdiskussion erörterten Prof. Dr. Tim Vogels, EAIVT-Generalsekretär Harry Sanne sowie Ansgar Klein, geschäftsführender Vorstand des BVfK, unter Leitung von Prof. Dr. Ansgar Staudinger, mit welchen Entwicklungen des Vertriebs der Handel rechnen müsse und wie es nach der im Jahre 2022 auslaufenden GVO weitergeht. Sanne und Klein positionierten sich deutlich und kritisierten den Druck der Hersteller, der im Wege des Agenturgeschäfts sowie der Aftersales-Praktiken ausgeübt werden könne. Das werde auch durch das geänderte Käuferverhalten gefördert, so Klein. Große Bildschirme seien für den Käufer oftmals wichtiger als ein perfektes Fahrwerk. Prof. Dr. Vogels forderte, man müsse bereits jetzt an der Entwicklung der neuen GVO mitwirken, „denn wenn der Kuchen erstmal verteilt sei, werde es schwierig, an die Krumen zu gelangen“. Sanne betonte schließlich, dass die EU-Kommission einem gestaltenden Dialog offen gegenüberstehe, der rechtzeitig aufgegriffen werden müsse.

Rechtsprobleme zu Elektrofahrzeugen und Assistenzsystemen

Der Autorechtstags-Vorstand und Rechtsanwalt Dr. Kurt Reinking schilderte eindrucksvoll die Entwicklungen auf dem Gebiet der assistenzunterstützten Elektromobilität, die dank des politischen Konsenses auf deutscher und europäischer Ebene wie auch des Wettbewerbsdrucks der chinesischen und amerikanischen Konkurrenz große Fortschritte verspreche. Besorgniserregend sei allerdings die Explosion der Ladekosten deutscher Stromanbieter, die jetzt bereits das Zwei- bis Dreifache des durchschnittlichen Haushaltsstrompreises an ihren Ladesäulen verlangen. Sodann richtete er den Blick auf die Batteriesysteme, die im sog. Mobile Device künftig eine zentrale Rolle spielen. Die Erwartungen an die gewöhnliche und vereinbarte Beschaffenheit hinsichtlich Leistung, Ausdauer, Verbrauch und Haltbarkeit von Autobatterien bieten seines Erachtens sowohl beim Neu- als auch beim Gebrauchtwagenkauf reichlich Streitstoff. Auch das Schadensrecht gehört nach seiner Meinung auf den Prüfstand, wenn es etwa darum geht, ob und ggf. wie die Rechtsprechung zur 130-Prozent-Opfergrenze, zur technischen und merkantilen Wertminderung oder zum Vorteilsausgleich auf batteriebetriebene Fahrzeuge angewendet werden kann. Bei den Assistenzsystemen befasste sich Reinking insbesondere mit den Updates im After-Sales-Bereich, wobei er den Fokus auf die Regelungen der EU-Warenhandelsrichtlinie legte, die von den Mitgliedstaaten bis spätestens zum 01.07.2021 in nationales Recht umgesetzt werden muss.

Gewohnt aktuell: Rechtsprechung des VI. Zivilsenats im Überblick

Über die aktuelle Rechtsprechung des VI. Zivilsenats referierte BGH-Richter Thomas Offenloch, der den Schwerpunkt auf die Entscheidungen des Senats zum Abgasskandal legte. Dabei war für den Senat die Frage nach einer sittenwidrigen Täuschung durch den Hersteller schnell geklärt. Auf größere Probleme stieß man hingegen bei der Feststellung des eingetretenen Schadens. Dieser sei letztlich im ungewollten Vertragsschluss zu sehen. In einem Fall sei der Anspruch des Klägers jedoch durch übermäßige Nutzung vollständig aufgezehrt worden. Denn „das Schadensersatzrecht soll niemanden überkompensieren“, wie Offenloch betonte.

Auch das Verkehrsunfallrecht kam nicht zu kurz. Offenloch lieferte Antworten auf verschiedene hochaktuelle Fragen und präsentierte einen bunten Strauß verkehrsrechtlicher Probleme und Lösungen. Dabei ordnete er die jeweiligen Entscheidungen stets in den Zusammenhang höchstrichterlicher Rechtsprechung ein.

Unfälle im Mischverkehr – Welche Verkehrsregeln gelten für welches Verkehrsmittel?

Referent Andreas Engelbrecht beschäftigte sich anschließend mit der Haftung im Mischverkehr, allem voran der Halterhaftung nach § 7 StVG. Er beantwortete Fragen in Zusammenhang mit der Beteiligung unterschiedlicher Fortbewegungsmittel an einem Unfallereignis. Nach einer anfänglichen Einordnung von Elektrofahrzeugen in das Haftungssystem des BGB und StVG folgte ein Überblick über die Verkehrsregeln für verschiedene neuartige Fahrzeugtypen, wie E-Scooter, Pedelecs oder E-Bikes. Die Nutzung von E-Scootern könne beispielsweise nur zu einer Verschuldenshaftung nach § 823 BGB, nicht jedoch zu einer Halterhaftung führen. Bei Engelbrechts anschaulicher Darstellung kamen auch die beim Arbeitskreis des diesjährigen Verkehrsgerichtstags gewonnenen Erkenntnisse nicht zu kurz.

Entscheidungen des BGH zum Kaufrecht – vom Thermofenster bis zum Widerrufsjoker

Prof. Dr. Michael Jaensch berichtete den Teilnehmer neben einschlägigen Entscheidungen des BGH zum Abgasskandal sowie zur Haftung für Fahndungseinträge im Schengener Informationssystem insbesondere von der Präzision des Sachmangelbegriffs, des Verhältnisses öffentlicher Äußerungen zu Beschaffenheitsvereinbarungen und den Anforderungen an die Berichtigung öffentlicher Äußerungen, mit denen sich der BGH erst vor kurzem  auseinanderzusetzen hatte. Auch dem Thema „Thermofenster“ widmete Jaensch besondere Aufmerksamkeit. So stellte er die derzeitige Position der EuGH-Generalanwältin dar und ließ sodann durchblicken: „Sollte der EuGH Thermofenster für unzulässig erachten, so dürfte der BGH diese vermutlich als Sachmangel werten“. Schließlich konnte der Referent auch die Reichweite von Aufklärungspflichten sowie die Voraussetzungen von Behauptungen ins Blaue hinein anhand weiterer einschlägiger BGH-Entscheidungen, die auf weitreichende Kasuistik zurückgehen, anschaulich demonstrieren. Abgerundet wurde der Überblick durch die brandaktuellen Entscheidungen zum Widerrufsjoker sowie zum gutgläubigen Erwerb abhandengekommener Sachen. In diesem Zusammenhang stellte Jaensch klar, dass sich der Verkäufer immer dann dem Risiko einer Unterschlagung aussetze, wenn er dem Kaufinteressenten die Möglichkeit einer unbegleiteten Probefahrt verschaffe. Ein derart umfangreiches und teilweise brisantes Rechtssprechungsportfolio bot reichlich Stoff für die anschließende angeregte Diskussionsrunde.

Ist das Gewährleistungsrisiko für Autohändler noch beherrschbar?

Unter der Überschrift „Verkaufen, Vermitteln, Vermakeln“ beschäftigte sich Rechtsanwalt Usama Sabbagh mit der Frage, wer in der jeweiligen Konstellation das Gewährleistungsrisiko trägt. Er berichtete vom weit verbreiteten Irrglauben, dass bei einem Unternehmergeschäft oder Geschäften zwischen Privatleuten das Gewährleistungsrecht generell nicht gelte, es müsse vielmehr im Einzelfall ausgeschlossen werden. Maßgeblich für die Annahme eines Vermittlungsgeschäfts, bei dem die Gewährleistung in einem Kaufvertrag zwischen Verbrauchern ausgeschlossen werden darf, sei letztendlich, wer das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs trage. Aufschluss darüber gäben nicht allein die vertraglichen Vereinbarungen, sondern vor allem der Geldfluss. Sabbagh verdeutlichte in einem präzisen Überblick, welche Möglichkeiten dem Händler zustehen, gewährleistungsrechtliche Verpflichtungen beim Vermittlungsgeschäft wirksam zu beschränken. Sein Fazit: „Der Handel mit Kraftfahrzeugen ist Handel mit gefährlichem Gut“.

In einer sich anschließenden Diskussionsrunde stellten Rechtsanwalt Sabbagh, Dr. Thomas Almeroth, Prof. Dr. Michael Jaensch, Dr. Christoph Eggert, Wolfgang Ball und Ansgar Klein die Frage voran, ob das Gewährleistungsrecht im Laufe der Zeit möglicherweise zu „käuferfreundlich“ ausgedehnt worden sei. Klein kritisierte die einseitige Haftungsverlagerung auf den Händler durch die Beweislastumkehr und dessen verschuldensunabhängige Haftung für Produktions- und Konstruktionsmängel ohne Rückgriffmöglichkeit gegen den Hersteller. Eine angeregte und spannende Diskussion folgte, im Rahmen derer Klein zunächst die umfangreiche Entwicklungsarbeit des BVfK im Umgang mit den zahlreichen Reformen des Sachmängelhaftungsrechts aufzeigte, die auch dem Bemühen des BVfK um Kultivierung des freien Kfz-Handels gedient habe. Eggert betonte anschließend, dass die Vermittlung „eine denkbare Alternative, jedoch kein Allheilmittel“ sein könne. Insbesondere, so Jaensch, helfe eine rein formularmäßige Klarstellung des Vermittlerstatus nicht weiter, denn die tatsächlichen Faktoren seien für die Beurteilung entscheidend. Wie kann das Haftungsrisiko also minimiert werden? Laut Klein unter anderem durch saubere Abgrenzung der Begriffe „Defekt“ und „Sachmangel“. Eggert und Ball lieferten Praxisbeispiele zum Begriff der Unfallfreiheit, um gemeinsam zu erörtern, in welchem Umfang negative Beschaffenheitsvereinbarungen getroffen werden und für Abhilfe sorgen können. Jaensch hielt diese für grundsätzlich zulässig, soweit die nötige Transparenz gewahrt werde. Die bis dato turbulente Diskussion schloss mit der Frage, ob dem Verkäufer im Zuge der verbraucherfreundlichen Gestaltung der Beweislastumkehr überhaupt noch ein Entlastungsbeweis gelingen könne.

„Wo Oldtimer draufsteht, muss auch Oldtimer drin sein“

Rechtsanwalt Dr. Götz Knoop schloss mit der Betrachtung rechtlicher Aspekte veränderter Oldtimer an. Der Referent leitete im Hinblick auf die Vornahme wertsteigernder Fahrzeugveränderungen mit einem Überblick dahingehend ein, welche Eigenschaften des Fahrzeugs Aufschluss darüber geben können, ob eine Identitätsfälschung vorgenommen wurde. So seien insbesondere die Fahrgestellnummer, aber auch die Beschaffenheit der Karosserie näher zu untersuchen. Anhand verschiedener Fallkonstellationen bereitete er das Fachpublikum anschließend auf die in Betracht kommenden rechtlichen Problemfelder vor. Würden etwa unzulässige Bauteile verwendet, könne dies ggf. zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führen. Nach der Richtline zu § 23 StVZO sei außerdem ausschließlich die Verwendung von Originalersatzteilen zulässig. Kritisch sei es allerdings zu sehen, so Knoop, dass die Richtlinie keine prozentuale Erhaltung der Fahrzeugsubstanz regele, wodurch die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen erschwert werden. Knoop endete schließlich mit einem Kurzüberblick über markenrechtliche Aspekte: „Eine Verwendung der Marke unter massiver Umgestaltung des Fahrzeugs ist vom Markenrecht nicht mehr gedeckt“, gab er zu bedenken.

Blitzerfehler, Fluchtraser, Tesla-Touchscreen

Diesen Problemfeldern widmete sich Rechtsanwältin Ulrike Dronkovic. Das „Tesla-Urteil“ des OLG Karlsruhe hat für Aufsehen gesorgt und zur Annahme geführt, die Benutzung des Tesla-Touchscreens sei gar gänzlich verboten. Dronkovic zog einen Vergleich zu ähnlich gelagerten Gerichtsentscheidungen, die anderweitige technische Vorrichtungen zum Gegenstand hatten, wie etwa Scheibenwischregler oder Navigationsgeräte und schließlich auch den konkreten Fall eines zwischen Kopf und linker Schulter des Fahrers eingeklemmten Mobiltelefons. Letzteres hielt Dronkovic für unschädlich und trat dem Argument des Gerichts entgegen, in dieser Situation sei der “Schulterblick“ wegen des eingeklemmten Mobiltelefons nicht mehr möglich gewesen: „Dem stand bereits die geschlossene Bauart des Kastenwagens im Weg“ so Dronkovic.„Falls ein Schulterblick in dieser Situation nicht mehr vollzogen werden könne, bestehe die Gefahr, dass die generelle Fahrtauglichkeit vom Gericht hinterfragt werde“, warnte sie die in großer Zahl anwesenden Anwälte. Mit regem Interesse verfolgten diese die Ausführungen der Referentin zu typischen Messfehlern gängiger Geschwindigkeitsmessgeräte und deren Auswirkungen. „Give the people what they want“, forderte sie schließlich und prangerte damit die häufig verwehrten oder gar fehlenden Messunterlagen an.

Nachwehen von Froukje Faber, Ferenschild und Dieselkrise sind deutlich spürbar

„Die Bedeutung der Instanzgerichte für die Rechtspraxis darf nicht unterschätzt werden!“So lautet die Forderung von Dr. Thomas Almeroth, der sich in diesem Jahr mit der branchenrelevanten Rechtsprechung jenseits des BGH auseinandersetzte. Denn nicht alles komme zum BGH, schon gar nicht zum EuGH. Von der Definition des Mangels über die Rücktrittsvoraussetzungen bis hin zur Berechnung der Nutzungsentschädigung präsentierte der Referent eine große Spannbreite der jüngsten Rechtsprechung von OLG, LG und AG. Eine Gesamtlaufleistung in Höhe von 500.000 km, wie sie teilweise zur Berechnung der Nutzungsentschädigung angenommen werde, hält Almeroth für abwegig und stellte gleichzeitig eine Renaissance des Agenturgeschäfts in Aussicht.

Prof. Dr. Ansgar Staudinger ging zum Thema Ferenschild insbesondere auf die Entscheidung des OLG Zweibrücken zur Verkürzung der Verjährungsfrist bei der Sachmängelgewährleistung ein. Der Referent hält die Entscheidung für unzutreffend. So lässt sich seiner Auffassung eine richtlinienkonforme Reduktion von § 476 Abs. 2, letzter Halbsatz BGB in methodisch zulässiger Weise betreiben. Begrenzt man diese Rechtsfortbildung dann auch noch auf die Sachmängelgewährleistung und damit auf den Anwendungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, nimmt indes die Rechtsmängelgewährleistung aus, drohe auch keine verfassungsrechtlich verbotene Reduktion von § 476 Abs. 2, letzter Halbsatz BGB „auf Null“. Der Referent zeigte überdies das Dilemma auf zwischen verbotener Verjährungsfristverkürzung nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und der Erlaubnis nach der EU-Warenhandelsrichtlinie, genau dies zu tun. Staudinger sah dringenden Handlungsbedarf des BMJV im Hinblick auf eine schnelle gesetzliche Klärung und Schaffung von Rechtssicherheit noch vor Inkrafttreten der Warenhandelsrichtlinie. Übrigens: Ausführlich behandelt Staudinger die komplexen Streitfragen rund um den Entscheid des OLG Zweibrücken gerade auch mit Blick auf das anhängige Revisionsverfahren beim BGH in der jüngsten Ausgabe der DAR.

Dieselkrise: Für einen Großteil der VW-Kunden ist das Kapitel abgeschlossen

Ri. am BGH a. D. Wolfgang Ball setzte stellvertretend für den ADAC-Juristen Alexander Sievers die bereits im vergangenen Jahr eingeführte Übersicht zur Dieselkrise fort. Neben der aktuellen Rechtsprechung des BGH zu VW-Fällen, auf die Ball einging, zeigte er den Trend auch der unteren Gerichtsinstanzen auf, getäuschten Dieselkäufern zu Schadensersatz zu verhelfen. Dass Entschädigungssummen auch bei Einzelklagen allerdings nicht in den Himmel wachsen, zeige die neue Rechtsprechung des BGH. Welche Hersteller sind betroffen? Was können die Kunden verlangen? Gibt es Schadensersatz? Und wie steht es mit der Verjährung? Ball ging diesen Fragen nach und ließ auch andere Hersteller, wie Daimler, Opel, Mitsubishi, Fiat und BMW nicht außen vor, die sich bezüglich der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen zu verantworten haben. Zum Abschluss ging er auf die dem EuGH vorgelegte Frage ein, ob und in welchen Fällen so genannte Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtungen zu werten sind und welche Konsequenzen sich daraus für eine Herstellerhaftung wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung ergeben können.

Neues zur fiktiven Abrechnung?

Insbesondere Verkehrsrechtler kamen bei dem mittlerweile zum festen Bestandteil des Autorechtstags gehörenden Seminar von Rechtsanwalt Marcus Gülpen voll auf ihre Kosten. Neben der Geltendmachung von Ersatzansprüchen z. B. bei der Anmietung von Mietfahrzeugen befasste sich Gülpen wiederum mit der fiktiven Schadensabrechnung. Seine Prognose aus dem vergangenen Jahr, dass es diese weiterhin geben werde, hat sich zumindest für das Deliktsrecht bewahrheitet. Wegen Uneinigkeit innerhalb der BGH-Senate sei zur endgültigen Klärung dieser Frage aber der Gemeinsame Senat angerufen worden.

Ob aktuelle Fluchtraserfälle oder mittlerweile vielfach ergangene Entscheidungen zur Trunkenheit im Verkehr mit E-Scootern: Rechtsanwalt Ulrich Kahlenborn lieferte unmittelbar im Anschluss an den Beitrag von Gülpen eine spannende Sammlung von Entscheidungen der jüngeren Zeit. Zudem ließ er durchblicken, dass eine Geschwindigkeitsüberwachung mit Section Control zumindest in Niedersachsen nun als verfassungsgemäß angesehen wird.

Der von ADAC, BVfK und ZDK gemeinsam veranstaltete und von Prof. Dr. Ansgar Staudinger, Rechtsanwalt Dr. Kurt Reinking und dem Vors. Richter am BGH a.D. Wolfgang Ball geleitete Deutsche Autorechtstag hat sich auch im 13. Jahr nicht nur als Forum hochaktueller und brisanter Rechtsthemen, sondern auch als wertvoller Bestandteil juristischer Bildungsangebote etabliert. Neben der Vertiefung rechtswissenschaftlicher Themen findet inzwischen das vielseitige Praxisseminar zur Schadensregulierung bzw. zum Verkehrsstraf- und Versicherungsrecht zunehmend Anerkennung und bietet den Teilnehmern bei Nutzung aller Angebote den vollständigen Fortbildungsnachweis über die erforderlichen 15 Stunden.

Save-the-date: Der 14. Deutsche Autorechtstag wird im kommenden Jahr vom 29. – 30. März 2021 wieder auf dem Petersberg stattfinden.

Pressekontakt und Interviewanfragen an: info@deutscher-autorechtstag.de