AUTORECHTSTAG AKTUELL
Aktuelle Streitfragen im grenzüberschreitenden Autohandel
Prof. Dr. Ansgar Staudinger, Universität Bielefeld
16. März 2021
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
auf dem kommenden Autorechtstag werde ich wieder eines meiner Steckenpferde reiten, wenn auch nicht zu Tode und natürlich nur im übertragenen Sinne mit mehreren PS. Es wird um das Internationale Zivilverfahrens- und Privatrecht beim grenzüberschreitenden Autohandel gehen. So hat sich der BGH mit seinem Vorlagebeschluss vom 13. Oktober 2020 (VI ZR 63/19) an den EuGH gewendet, um offene Fragen zur internationalen und örtlichen Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO zu klären. Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens ist ein behaupteter Schadensersatzanspruch der Klägerin im Zusammenhang mit einem wohl betrügerischen Autoverkauf eines gebrauchten Porsche 911 Turbo. Vertragsparteien sind zwei Gewerbetreibende. Im Internet hatte die in Bulgarien ansässige Beklagte den Pkw als mangelfrei offeriert. Nach einer Unterredung mit einem Vertreter der Beklagten in Deutschland überwies die hier ansässige Klägerin den Kaufpreis und holte das Kfz in Bulgarien ab. Dort wurde ein Vertrag in bulgarischer Sprache unterzeichnet, in dem auf erhebliche Mängel infolge eines Unfalls hingewiesen wurde. Die Klägerin hat nach ihrer Darstellung den Inhalt erst später zur Kenntnis genommen. Sie konnte das Fahrzeug in Deutschland nur mit beträchtlichem Verlust weiterveräußern. Angesichts dessen machte sie klageweise einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 2BGB im Zusammenspiel mit § 263 StGB geltend. Der VI. Zivilsenat fragt nun den EuGH: Sind Art.7 Nr.1 lit. a) und Nr.2 Brüssel Ia-VO dahin auszulegen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung für eine auf Schadensersatz gerichtete Klage eröffnet ist, wenn der Kläger durch arglistige Täuschung zum Abschluss eines Kaufvertrags und zur Zahlung des Kaufpreises veranlasst worden ist? Werfen Sie einen Blick in die Glaskugel, wie die Antwort in Luxemburg ausfallen könnte.
Manche Antworten liegen demgegenüber bereits auf dem Tisch. So werde ich für inländische Automobilisten erläutern, welche Auswirkungen das Urteil des EuGH vom 9. Juli 2020 (C-343/19) hat. So können geschädigte Kunden in anderen Mitgliedstaaten beim Einsatz von manipulierender Software hiesige Hersteller im Ausland an ihrem aktuellen Wohnsitz verklagen, wenn sich dort die Schadensverwirklichung am Erwerbsort lokalisieren lässt. Der erlittene Wertverlust stellt insoweit einen materiellen Primärschaden dar. Für die Anwaltschaft werde ich aufzeigen, wie ihre in Deutschland wohnhafte Mandantschaft ausländische Produzenten bequem vor der heimischen Justiz gerichtspflichtig machen kann. Gilt der Richterspruch dabei nur für Neuwagen oder auch gebrauchte Fahrzeuge, lediglich für Leistungs- oder gleichermaßen Feststellungsklagen? Welchen Aussagegehalt hat der Richterspruch des Gerichtshofs zudem für Geschädigte mit Lebensmittelpunkt etwa in der Schweiz?
Nicht nur hierauf werde ich eingehen, sondern sowohl den aktuellen Vorlagebeschluss des BGH als auch den Entscheid des EuGH zum Anlass nehmen zu erläutern, welches Vertrags- und Deliktsrecht nach Maßgabe der Rom I- sowie II-VO zur Anwendung gelangt.
Keine Sorge, Internationales mag für viele von Ihnen ein Buch mit sieben Siegeln und Rom auf sieben Hügeln erbaut sein. Sie brauchen nur einen Petersberg, den Autorechtstag und schon bekommen Sie in der Praxis auch beim grenzüberschreitenden Autohandel die PS auf die Straßen.
Bis bald,
Ihr
A. Staudinger
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