Fahndungseintrag im Schengener Informationssystem (SIS) – BGH konkretisiert Haftungsvoraussetzungen
15. April 2020
Wird ein Fahrzeug veräußert, welches zur Fahndung ausgeschrieben ist, stellt dies nach Auffassung des BGH einen Rechtsmangel dar. Es bestehe die permanente Gefahr, dass das Fahrzeug durch Maßnahmen, wie etwa eine behördliche Sicherstellung, auf unbestimmte Zeit entzogen werde. Dabei komme es nicht darauf an, ob sich die Fahndungsausschreibung begründende Vortat, die meist als Diebstahl oder Unterschlagung daherkommt, tatsächlich ereignet hat. Allein die Möglichkeit des vorübergehenden Eigentumsentzugs infolge der Sicherstellung soll genügen, um ein sofortiges Rücktrittsrecht auszulösen (BGH, Urteil vom 18. Januar 2017, Az. VIII ZR 234/15).
Nicht jedes kausale Vorereignis ausreichend
Unklar war bislang allerdings, zu welchem Zeitpunkt der Fahndungseintrag vorliegen muss. In bisherigen Entscheidungen sprach der BGH davon, dass der „Sachverhalt“, auf den die später durchgeführte Sicherstellungsmaßnahme gestützt wird, bereits bei Übergabe vorgelegen haben müsse. Es blieb bislang der eigenen Interpretation überlassen, ob damit schon der ursprüngliche Eigentumsentzug oder die spätere Fahndungsausschreibung gemeint ist.
Nun stellte man mit Urteil vom 26. Februar 2020 (Az. VIII ZR 267/17) klar: Allein ein bei Gefahrübergang vorliegendes tatsächliches Geschehen, das erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Fahndungseintrag führt, genügt zur Begründung der Haftung des Verkäufers nicht. Erst die Fahndungsausschreibung, hier in Form eines Eintrags im Schengener Informationssystem (SIS), begründe die konkrete Gefahr einer behördlichen Sicherstellung.
Der BGH korrigierte damit die vorinstanzliche Entscheidung und führte zur Begründung aus, dass sich der Verkäufer nicht jegliches kausales Vorereignis zurechnen lassen müsse. Andernfalls müsse er nämlich selbst dann, wenn eine lückenlos dokumentierte Fahrzeughistorie vorhanden sei, auf lange Zeit für ein bei Gefahrenübergang für ihn weder erkennbares noch beherrschbares Geschehen haften.
Tatsächlicher Fahndungseintrag nicht immer zwingend erforderlich
Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs infolge einer „Verdichtung“ der Umstände, beispielsweise weil bereits eine Strafanzeige gestellt wurde, eine Beschlagnahme unmittelbar bevorstehe oder alsbald drohe. Dies soll wiederum mit einem Fahndungseintrag annähernd gleichzusetzen sein. Der Käufer dürfte sich aber jedenfalls dann nicht mehr auf das Vorliegen eines Rechtsmangels berufen können, wenn zum Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs lediglich feststand, dass das Fahrzeug unterschlagen oder gestohlen wurde, ansonsten aber keine Anhaltspunkte für eine bevorstehende Beschlagnahme vorliegen.
Fazit
Der Auslegungsspielraum, den bisherige Entscheidungen des BGH zum Thema „Fahndungseintrag als Rechtsmangel“ boten, dürfte nunmehr jedenfalls im Hinblick auf den Zeitpunkt des Eintrags weitestgehend eingedämmt sein. Als Fahrzeugkäufer bestünde gleichwohl noch die Möglichkeit, sich auf eine unmittelbar bevorstehende Beschlagnahme zu berufen.
Darauf, ob das Fahrzeug möglicherweise gutgläubig erworben wurde, dürfte es im Endeffekt nicht ankommen. Im Falle einer vorgelagerten Unterschlagung ist das Fahrzeug in der Regel zwar nicht abhandengekommen und ein gutgläubiger Erwerb somit weiterhin möglich. Allerdings wird dadurch nicht die Gefahr der Beschlagnahme beseitigt, die in der Regel andauern wird, bis die Eigentumsverhältnisse endgültig geklärt sind. Allein dies dürfte wohl zur Begründung eines Rechtsmangels ausreichen.
Es kommt erschwerend hinzu, dass die Ermittlungsmethoden der national zuständigen SIS-Behörden (sogenannte „Sirenen“) meist eine lange Zeitspanne bis zur Aufhebung des Fahndungseintrags zur Folge haben. Statusanfragen bleiben erfahrungsgemäß unbeantwortet.
Aufgrund zahlreich vorstellbarer Sachverhaltskonstellation und den sich daraus ergebenden Rechtsfragen wird die weitere Entwicklung der Rechtsprechung intensiv zu beobachten sein.