Update Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht
Dr. Matthias Quarch – Vorsitzender Richter am Landgericht Aachen und Schriftleiter der Neuen Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV)
24. Januar 2023
Im Verkehrsstraf- und Bußgeldrecht sind in den letzten Monaten gleichermaßen Ruhe und Bewegung zu beobachten.
Einige große Fragen sind mehr oder weniger entschieden: Das BVerfG hat mittlerweile gleich zweimal die lange streitige Verfassungsmäßigkeit des neuen Tatbestandes des § 315d StGB bestätigt, zunächst bezüglich der „Einzelraser“-Variante in der Entscheidung vom 9.2.2022 (NZV 2022, 184) über einen Vorlagebeschluss des AG Villingen-Schwenningen und unlängst auch bezüglich der eigentlichen illegalen Kraftfahrzeugrennen in dem Nichtannahmebeschluss vom 7.12.2022 – 2 BvR 1404/20 = BeckRS 2022, 36007 bezüglich einer Verfassungsbeschwerde gegen den „Ku‘damm-Raser-Beschluss“ BGH NZV 2020, 517. Deshalb sind es jetzt nur noch Nuancen, welche die Rechtsprechung bezüglich des § 315d StGB beschäftigen, u .a. die in der Entscheidung KG NZV 2022, 520 problematisierte Frage, wie lange die „Rennstrecke“ des Einzelrasers eigentlich mindestens sein muss.
Eine andere jahrelange Streitfrage ging dahin, ob bei dem Führen eines E-Scooters unter Alkoholeinfluss die Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit wie bei Kfz bei 1,1 ‰ oder wie bei Fahrrädern bei 1,6 ‰ liegt. Hier hat sich die Rechtsprechung im letzten Jahr ganz deutlich in Richtung 1,1 ‰ bewegt, so dass auch aus diesem Streit mehr oder weniger „die Luft raus“ sein dürfte (vgl. dazu anschaulich Kerkmann NZV 2023, 25).
Das andere Megathema „Einsicht in Messunterlagen“ bleibt aber trotz der einige Fragen klärenden Entscheidungen BVerfG NZV 2021, 41 und BGH NZV 2022, 287 in Bewegung. Unlängst hat sich der VerfGH Rheinland-Pfalz mit einer noch offenen Einzelfrage befasst (NZV 2023, 47 mAnm Sandherr); eine weitere Entscheidung des BVerfG zur Dokumentations- bzw. Speicherpflicht von Messdaten (2 BvR 1167/20) steht noch aus. Vielleicht kann ich Ihnen auf dem Petersberg dazu schon mehr berichten.
Ein sehr interessantes Zeichen für die Verkehrssicherheit stellt die vom OLG Hamm bestätigte Entscheidung LG Paderborn NZV 2022, 522 dar, mit welcher ein Pkw-Führer, der während des Versendens von Handy-Nachrichten einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht hat, wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden ist. Auch dieses Urteil wird wie die ebenfalls erörterungswürdige „Zuckerschock-Entscheidung“ AG Montabaur NZV 2022, 431 Gegenstand meines kommenden Updates auf dem Autorechtstag sein. Ich freue mich darauf, Sie dann in dem wunderbaren Ambiente des Petersberges bei hoffentlich wieder vorfrühlingshaftem Wetter wiederzusehen.