Update Verkehrsstraf- und -Ordnungswidrigkeitenrecht

Dr. Matthias Quarch, Vorsitzender Richter am Landgericht Aachen und Schriftleiter der Neuen Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV)

21. Dezember 2021

What’s new pussycat?“, lautete einst der Titel eines Films von und mit Woody Allen sowie mit dem unvergessenen britischen Schauspieler Peter Sellers alias Inspector Clouseau. Nicht diese, aber eine ähnliche Frage werden Sie mir ein weiteres Mal auf dem kommenden Autorechtstag 2022 stellen: „Was gibt es Neues im Verkehrsstraf- und –ordnungswidrigkeitenrecht?“

„Einiges“, wird meine Antwort lauten, „einiges“. Da gibt es einmal das Megathema „Einsicht in Messunterlagen“. Das BVerfG hat dazu in seinem Beschluss vom 12.11.2020 (NZV 2021, 41) zwar wesentliche Pflöcke eingeschlagen. Aber im Detail bleibt noch vieles ungeklärt. So hat das OLG Zweibrücken mit Beschluss vom 4.5.2021 (BeckRS 2021, 11011) dem BGH die Frage vorgelegt, ob in der Verweigerung der Einsichtnahme in die gesamte Messreihe auch dann ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens liegen kann, wenn eine Relevanz der betreffenden Daten für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der streitigen Messung und damit für die Verteidigung des Betroffenen gar nicht erkennbar ist. Das OLG Jena hatte genau diese Ansicht vertreten (NZV 2021, 331), das OLG Zweibrücken und andere Obergerichte teilen sie nicht. Die Entscheidung des BGH steht noch aus. Und vor wenigen Tagen, am 13.12.2021, hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Rheinland-Pfalz  (VGH B 46/21) die Ablehnung des Antrags eines Betroffenen auf Einsicht in bei der Behörde vorhandene Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des konkreten Messgerätes als einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren bezeichnet. Es bleibt also spannend zu beobachten, wie die Praxis die vom BVerfG vorgegebenen Konturen weiter füllen wird.

Und da gibt es noch die E-Scooter: Zwar hat der BGH (NZV 2021, 378) die Fragestellung offen gelassen, ob die Promillegrenze bei diesen Fahrzeugen bei 1,1 ‰ wie bei Kfz oder bei 1,6 ‰ wie bei Fahrrädern liegt. Eine deutliche Mehrheit der Instanzgerichte befürwortet mittlerweile 1,1 ‰ (z. B. BayObLG NZV 2020, 582), aber die Folgefrage bleibt streitig, ob bei E-Scootern dann auch die Regelvermutung der Ungeeignetheit zum Führen eines Kfz aus § 69 Abs. 2 StGB greift. Mit dem AG Flensburg hat jetzt ein weiteres Gericht dagegen votiert (Beschl. v. 3.8.2021 – 485 Gs 810/21, BeckRS 2021, 35546).

Es bleibt also auch hier spannend, wohin die verkehrsstrafrechtliche Reise gehen wird.

Mehr dazu im März 2022 auf dem Petersberg.

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